Kneipp-Gesundheitsvisite Juni 2023
Aus Sebastian Kneipps Leben:
„Wasser, Weiber, warme Wickel“ – Der Film „Der Wasserdoktor“ kam 1958 in die Kinos, doch es war ein Start mit Hindernissen
Spannendes aus der glamourösen Welt des Films konnte der frühere Bad Wörishofer Kurdirektor Ludwig Burghardt in der „Kurzeitung“ im Juni 1958 berichten. Burghardt hatte nämlich herausgefunden, dass eine österreichische Produktionsfirma plante, Sebastian Kneipps Wirken zu verfilmen.
Burghardt zitiert den Bericht einer Wiener Tageszeitung: „Pfarrer Kneipp wird verfilmt: Die Öfa-Schönbrunn bereitet ein interessantes Projekt vor; die verfilmte Lebensgeschichte von Kaltwasserapostel Kneipp. Carl Wery wird Pfarrer Kneipp darstellen, Werys Gattin Erna Fentsch-Wery schreibt zur Zeit am Drehbuch, Regie wird Wolfgang Liebeneiner führen. Die Aufnahmen sollen womöglich an den Originalschauplätzen von Pfarrer Kneipps bewegtem Leben stattfinden, also vornehmlich in Bad Wörishofen (Bayern), wo Kneipp seine be-rühmte Naturheilanstalt einrichtete, die ihn in heftigen Konflikt mit der Kirche brachte und bis nach Rom zu einer Papstaudienz führte. Liebeneiner sondiert zur Zeit die Möglichkeiten von Dreharbeiten im Va-tikan. Die Dreharbeiten werden Mitte August im Öfa-Atelier in Salzburg beginnen. Außer Wery sind bis jetzt noch keine weiteren Darsteller verpflichtet.“
Soweit also der Auszug aus dem Artikel in der Wiener Tageszeitung, der bei Burghardt und anderen Kneipp-Kennern auf wenig Begeisterung stieß. Und Burghardt hatte noch mehr Gründe sich über die bevorstehenden Filmpläne aufzuregen. Er verwies in der „Kurzeitung“ auf einen Artikel in der Zeitschrift „Hör zu“, die berichtet hatte: „Carl Wery, der ´Bauerndoktor von Bayrischzell´ wird unter Liebeneiners Regie den ´Wasserdoktor Kneipp´ spielen. In Rom, wo schon Kontaktgespräche geführt worden sind, interessiert man sich lebhaft für den Mann, der den Sebastian Kneipp darstellen soll“.
Wenn schon einen Film über Kneipp, dann wenigstens authentisch, war die Ansicht Burghardts:
„Kneipp als Kaltwasserapostel zu apostrophieren ist ebenso bedauerlich wie der Wasserdoktor,“ wettert Burghardt gegen die Filmpläne, „das erstere ist völlig falsch, das zweite riecht zu sehr nach Wunderdoktor. Beides möchten wir eigentlich nicht mehr hören und lesen. Und ganz neu ist uns, dass Kneipp wegen seiner Naturheilanstalt in einen heftigen Konflikt mit der Kirche geriet und gar deshalb vor den Vatikan zitiert worden sein. Das stimmt schon ganz und gar nicht auch wenn man daraus noch heute eine Sensation konstruieren möchte.“
Aber den Filmemachern stand der Sinn nicht nach Authentizität, sondern eher nach Unterhaltung. Es waren schließlich die späten 1950er Jahre. Das Publikum strömte ins Kino, wo leichte Unterhaltung gefragt war. Heimatfilme waren äußerst beliebt und brachten als Kassenschlager den Produzenten viel Geld ein.
So kam „Sebastian Kneipp – ein großes Leben“ unter der angekündigten Regie von Wolfgang Liebeneiner und mit Carl Wery in der Titelrolle im November 1958 in die Kinos. Mit dem Erfolg der „Sissi“-Trilogie konnte Kneipp nicht mithalten. Die Besucherzahlen entsprachen bei weitem nicht den Erwartungen, deshalb wurde der Film schon drei Wochen später zurückgezogen. Als Grund für den Misserfolg vermuteten die Geldgeber den wenig aussagekräftigen Titel „Sebastian Kneipp – ein großes Leben“. Was wisse der normale Kinobesucher schon von Sebastian Kneipp und was ist schon ein „großes Leben“? Man musste dem Ganzen einen plakativeren Namen geben, um das Projekt vor dem Verschwinden in der Schublade zu bewahren, lautete das Fazit der Überlegungen der Verantwortlichen.
Im März 1959 ging der Film erneut an den Start, in Bayern und Ba-den-Württemberg unter dem unsäglichen Titel „Der Wasserdoktor - Heiße Wickel, kalte Güsse“. Im übrigen Deutschland hieß er „Arzt ohne Examen“. Es hätte aber auch noch schlimmer kommen können, denn angeblich diskutierte die Produktionsfirma sogar über Titel wie „Wasser, Weiber, warme Wickel“, „Heiße Küsse, kalte Güsse“ oder „Wo die Wellen rauschen bis zum Knie.“ Pfarrer Kneipp hätte sich vermutlich im Grabe umgedreht, wenn er von solchen Überlegungen gewusst hätte.
Harald Klofat